Smartphone_Beitrag03

Rohstofffund im Hosenbund

von Timo Lehmann

Smartphones sind die Wegbegleiter unserer Zeit. Fast jeder besitzt eins, benutzt es und schafft sich ungefähr alle 18 Monate ein neues an. Firmen wie Apple und Samsung beschleunigen diesen Vorgang noch, indem sie in immer kürzeren Abständen neue Modelle entwickeln, die mehr Speicher, schnellere Prozessoren und andere technische Verbesserungen bieten. Was passiert mit den alten Smartphones? Meistens verschwinden sie in Schubladen und Regalen, bis sie jemand findet und wegwirft. Dabei sind die Materialien darin immer noch viel wert.

Woraus wird ein Smartphone hergestellt? Mehr als die Hälfte besteht aus Kunststoff, der beispielsweise für die Hülle verwendet wird. Den zweitgrößten Anteil bilden mit 25% Metalle. Diese sind in den technischen Komponenten enthalten, zum Beispiel in der Leiterplatte. Hier wird’s interessant: Neben den normalen Metallen wie Kupfer, sind auch wertvolle Metalle wie Palladium, Platinum und Gold in unseren Smartphones enthalten. Sie sind selten und daher teuer, weshalb die Reserven hart umkämpft sind.

Das Recycling von alten Mobilfunkgeräten hilft, diese Reserven zu schonen. Nicht nur Smartphones, auch alte Handys enthalten noch eine Menge nutzbarer Materialien. Von ungefähr 5000 Tonnen Elektroschrott, der allein durch Mobilfunkgeräte produziert wird, sind laut dem Informationszentrum Mobilfunk 80% wiederverwertbar. Allein in Deutschland wurden 2013 etwa 26 Millionen Smartphones verkauft, verkündet die BITKOM. Der Verband der chemischen Industrie e.V. hat in einem Factbook veröffentlicht, welche Mengen wichtiger Metalle im Jahre 2010 in einem Mobiltelefon zum Einsatz gekommen sind, z. B. von Gold, Silber und Palladium. Hochgerechnet auf 26 Millionen Smartphones handelt es sich um 780 kg Gold, rund 8 Tonnen Silber und etwa 286 kg Palladium, die als Reserven in den Rohstoffkreislauf eingehen könnten. Alte Handys enthalten zwar nicht so viel der jeweiligen Metalle, dafür machen sie das mit ihrer Anzahl wett. Laut einer Umfrage der BITKOM verstauben mehr als 70 Millionen Handys in deutschen Schubladen.
Wenn solche Geräte fachgerecht entsorgt werden, landen sie bei einer Schmelze. In dieser speziell ausgestatteten Metallhütte werden die Metalle eingeschmolzen und voneinander getrennt. Anschließend werden sie als wiederverwendbare Rohstoffe weiterverkauft. Der Kunststoff der Geräte wird dabei als Brennmaterial genutzt.

Das Recycling hat nicht nur Vorteile für die Umwelt, sondern auch politische, wie das Metall Tantal zeigt. Dieses Metall wird für besonders leistungsfähige Kondensatoren in unseren Smartphones benutzt. Es wird aus Coltan gewonnen. Laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) kommt mehr als die Hälfte des jährlichen Bedarfs an diesem Metall aus der Demokratischen Republik Kongo. Durch die digitale Revolution stieg der Preis für Coltan um das Zehnfache. Die Folge davon sind Zustände wie im Goldrausch. Viele Menschen sind dort von Landwirtschaft auf Bergbau umgestiegen und erhofften sich dadurch schnellen Reichtum. Schlecht gesicherte Minen und inhumane Lebensumstände sind dabei tödliche Begleiter. Der Gewinn, den das Coltan einbringt, wird nicht dazu genutzt, um die Situation zu verbessern. Seit Jahren herrscht im Kongo Bürgerkrieg, der sich über den Coltanhandel finanziert, so die BGR.

Inzwischen wurden verschiedene Maßnahmen getroffen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. BGR-Forscher haben ein Verfahren entwickelt, mit dem es möglich ist, den Ursprung des in Smartphones verwendeten Tantals bzw. des Coltans herauszufinden. So lassen sich nicht nur die Liefergebiete bestimmen, sondern sogar einzelne Vorkommen unterscheiden. Damit können Hersteller den Kauf von illegal oder unmenschlich gefördertem Coltan vermeiden. Eine Alternative ist das Fairphone. Seit 2013 ist es erhältlich und mit Hilfe von Materialien hergestellt, die unblutig gewonnen und in Fabriken mit vernünftigen Arbeitsbedingungen weiterverarbeitet wurden. Dazu arbeitet das Unternehmen Fairphone B.V. beispielsweise mit „Source of Hope“ zusammen, einer Organisation die Unternehmen und Firmen darin unterstützt konfliktfreie Materialien zu finden und zu kaufen. Produziert wird das Gerät vom chinesischen Hersteller A’Hong. Ebenfalls für das Smartphone spricht, dass es leicht auseinanderzunehmen ist, was Reparaturen vereinfacht und eine lange Lebensdauer ermöglicht. Einige Schwächen finden sich aber  auch: Die Arbeits- und Sicherheitsbedingungen entsprechen nicht ganz dem westlichen Standard, das gilt für die Minen genauso wie für den Hersteller A’Hong. Die Entwickler des Fairphones arbeiten jedoch aktiv daran, das zu ändern. Unter anderem haben sie zusammen mit der Geschäftsführung von A’Hong einen Hilfsfond eingerichtet, in den pro Fairphone 5 US-Dollar eingehen, die der Belegschaft zugutekommen. Dieser Fond wird von einer Stiftung verwaltet, in der nicht nur Vertreter von A’Hong und Fairphone B.V. sitzen, sondern auch von den Arbeitern selbst gewählte Vertreter. Das geht aus einem Interview von „Zeit Online“ mit Fairphone-CEO Bas van Abel hervor.
Ein ausrangiertes Smartphone kann also ein Rohstofflieferant sein. Wer sein altes Gerät nicht in einer Schublade verstauben lassen will, findet hier Tipps wie er sein Smartphone oder Handy entsorgen kann. Oder einfach sein Smartphone ein Jährchen länger behalten, bevor man es austauscht… auch das schont die Umwelt.

Sind alte Smartphones nur Müll?
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