Öffentlicher Bücherschrank

Interview mit Cornelia Holsten

Cornelia Holsten ist die Initiatorin des ersten Bücherschrankes in Karlsruhe und Vorsitzende der Bürgerstiftung Karlsruhe. Inzwischen hat sie drei Bücherschränke gespendet: Für den Werderplatz in der Südstadt, den Lidellplatz in der Innenstadt-Ost und den Ostendorfplatz in Rüppurr.

Sei-haltbar.de: Wie kamen Sie auf die Idee, einen öffentlichen Bücherschrank in Karlsruhe zu initiieren?
Cornelia Holsten: Ich war in Nordrhein-Westfalen und habe in Essen einen öffentlichen Bücherschrank gesehen. Es war ersichtlich, dass er dort sehr gut angenommen wurde. In Essen sieht er zwar ein wenig anders aus, aber er hat dieselbe Funktion. Nachdem ich ein paar Mal daran vorbeigekommen war, habe ich gesehen, dass er immer wieder genutzt wurde.
Da habe ich mir gedacht: das ist auch eine gute Idee für Karlsruhe. Das ist ein schönes Projekt. Das mache ich.

Sei-haltbar.de: Nutzen Sie ihn auch selbst?
Cornelia Holsten: Ja, gelegentlich. Bei den drei öffentlichen Bücherschränken, die ich gespendet habe, habe ich unter anderem durch Aufrufe für den Anfangsbestand gesorgt. Es ist wichtig, dass die Schränke vor allem am Anfang gut gefüllt sind und Neugier auslösen.
Jetzt benutze ich sie wie andere auch, aber eher weniger. Die Idee ist ja, dass er von der Bevölkerung bestückt und betreut wird.

Sei-haltbar.de: Wie sehen Sie die Entwicklung der öffentlichen Bücherschränke?
Cornelia Holsten: Die Bücherschränke werden ständig benutzt. Es ist immer jemand davor. Ich denke, dass sie immer mehr benutzt werden, da sich die Idee herumgesprochen hat. Die Schränke gehören inzwischen einfach zum Stadtbild.
Sie haben sich vor allem deshalb erweitert, weil andere Stadtteile diese Idee übernommen haben. Es war auch der Grundgedanke von mir, dass dieses bürgerschaftliche Engagement von mir sich weiterträgt in andere Stadtteile und dass andere diese Idee aufnehmen und auch selber finanzieren – und das ist erfolgt. In Karlsruhe gibt es inzwischen neun Bücherschränke, das ist genau das, was man erreichen möchte, auch in der Bürgerstiftung: dass die Projekte, die man macht, so gut sind, dass sie sich durch bürgerschaftliches Engagement anderer weitertragen.

„Der Bücherschrank wird wirklich geliebt.“ – Cornelia Holsten

Sei-haltbar.de: Wie erklären Sie sich, dass die Bücherschränke so beliebt sind? Gerade in der Zeit von E-Books und Smartphones, wo man seine Bücher auch schnell über das Internet kaufen kann?
Cornelia Holsten: Zu den Bücherschränken kann man Tag und Nacht gehen. Man muss keine Postlieferungen abwarten, muss nichts verpacken und hat keine Wartezeit. Man schaut sich einfach vor Ort an, was da ist. Die Bücher stehen dort nicht lange, zumindest nicht die interessanten Bücher, da findet man ständig etwas Neues.
Es gibt auch nach wie vor Leute, die gerne ein Buch in der Hand haben: Die, die Bücher und die haptische Erfahrung lieben, die nicht so gerne auf dem iPad lesen oder die mit dem Internet nicht so vertraut sind. Am Bücherschrank bekommen sie vielleicht nicht genau das, was sie haben wollten, aber vielleicht stoßen sie auf etwas Unerwartetes.
Und es gibt genug Bücher, vor allem von älteren Menschen. Nur wohin mit den Büchern beim Umzug ins Seniorenheim, wenn man sie nicht in die Mülltonne werfen möchte? Man bekommt sowieso nichts für die Bücher, egal ob man sie ins Antiquariat oder in einen Second Hand Laden bringt. Und dann kann man sie ja auch zum Bücherschrank bringen. Das ist ein Ort, der allen zur Verfügung steht, zu jeder Zeit.

Sei-haltbar.de: Wer nutzt die Bücherschränke am meisten?
Cornelia Holsten: Das ist erstaunlicherweise querbeet. Sie werden, auch gerade am Lidellplatz, von vielen jungen Leuten genutzt. Interessant finde ich auch, dass ihn einige Menschen mit Migrationshintergrund benutzen. Leider ist kaum türkische Literatur in den Bücherschränken, was ich mir gewünscht hätte, aber hier gibt es eben auch nicht so viel Literatur. Ich denke, dass das Deutsch Lesen bei den Kindern von Migranten anfängt. Die Kinder interessieren sich sehr dafür, da ist nur das Problem, dass es auch nicht so viele Kinderbücher in den Schränken gibt. Das könnte man noch verbessern.

Sei-haltbar.de: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Cornelia Holsten: Mehr ausländische Literatur und Kinderbücher wären schön. Alle Bücher werden regelmäßig von Bücherpaten durchgeschaut. Dafür müsste man dann Bücherpaten haben, die verschiedene Sprachen können, damit keine extremistische Literatur im Schrank ist. Das ist die Gefahr. Aber trotzdem würde ich mir das wünschen.
Außerdem wünsche ich mir, dass die Bücherschränke nicht beschädigt werden. Es wäre schade, wenn man sie mit Graffiti besprüht, wie es gerade beim Werderplatz der Fall war, das muss nicht sein. Aber sonst ist er in einem guten Zustand und, ja, er wird wirklich geliebt.

Die Bücherschränke findet ihr hier:

Öffentlicher Bücherschrank am Werderplatz
Öffentlicher Bücherschrank am Werderplatz

Werderplatz, Südstadt
Lidellplatz, Innenstadt-Ost
Heckengarten der Friedrich-Wolff-Anlage, Stadtgarten
Ostendorfplatz, Rüppurr
Wendeschleife der Straßenbahn, Rintheim
Elsässer Platz, Knielingen
Gutenbergplatz, Weststadt
Ecke Pfinztal- und Marstallstraße, Durlach
Robert-Sinner-Platz, Grünwinkel

Babette-Ihle-Platz, Bruchsal

Hintere Gasse 28, Oberderdingen

Im Erdgeschoss des Rathauses Steinmauern, Rastatt

Interview mit Cornelia Holsten, Initiatorin des ersten öffentlichen Bücherschrankes

Schreibe einen Kommentar